Patagonien - San Valentin Expedition mit Kobler und Partner

Eine Expedition für Spinner und Masochisten
19.11.2011, 1. Tag Zürich – Madrid – Santiago de Chile
Es geht los! Ich stiefle mit meinen dicken, gelben Bergschuhen, in Begleitung meiner Frau durch den Flughafen in Zürich und bin auf der Suche nach Dani, unserem Bergführer und Expeditionsleiter, sowie nach Barbara, der einzigen weiblichen Teilnehmerin unserer kleinen Gruppe. Die restlichen Teilnehmer werden in Madrid, bzw. Puerto Montt zu uns stossen. Pünktlich treffen wir uns vor dem Gruppenschalter und Dani organisiert das ganze Check-In Prozedere und dann heisst es Abschied nehmen. Zwar haben meine Frau und ich, bedingt durch meine beruflichen Auslandsaufenthalte schon oft und auch für längere Zeit Abschied genommen; trotzdem fällt es immer wieder schwer.
Nach einem zweistündigen Flug kommen wir in Madrid an – vom Kulinarischen- und Unterhaltungsstandpunkt aus, nicht unbedingt mein Lieblingsflughafen. Jedenfalls vergehen auch die folgenden 2 ½ Stunden Wartezeit, bis unser Flug um 00:30 Richtung Santiago de Chile abhebt. Zuvor mustern wir aufmerksam die anderen Flugpassagiere. Wer ist wohl Martin, unser Bayer im Team, der aus München anreist? Zum Glück haben alle Teilnehmer eine Handynummer angegeben und so greift Dani eine halbe Stunde vor dem Abflug zum Telefon und ruft Martin an. Upps! Martin ist immer noch in München! Seine Maschine hat technische Probleme und er weiss noch nicht, wann er abfliegen kann. Sofort macht Dani ein paar zusätzliche Anrufe, bzw. versendet ein paar SMS um zu gewährleisten, dass Martin mit einer späteren Maschine nachreist und wir ihn in Balmacera treffen werden. Und dann geht es wirklich los.

20.11.2011, 2. Tag Santiago – Balmacera – Coyhaique
Verglichen mit Madrid ist der Flughafen von Santiago viel kleiner und sympathischer. Fast hätten wir einen früheren Anschlussflug nehmen können, denn wir waren sehr pünktlich und auch am Zoll gab es keine Probleme (von wegen Einfuhr von Lebensmitteln). So benützen wir die Zeit um unsere Glieder nach dem langen Flug zu strecken und einen ersten „hugo de naranja“ zu geniessen.
Schon geht es weiter und bei der Zwischenlandung in Puerto Montt stösst Bernhard, unser Berliner Kollege zu uns. Nach einer weiteren Flugstunde kommen wir in Balmacera an. Ein kleiner Flughafen in einer trockenen patagonischen Landschaft. Ein paar einfache Häuser Drumherum – that’s it. Wir werden von zwei französischen Mitarbeitern von Azimut 360, dem chilenischen Partner von Kobler und Partner abgeholt und dann geht’s per Minibus weiter nach Coyhaique.

[Quelle: Wikipedia] Coyhaique (auch Coihaique) ist eine Stadt im Süden des südamerikanischen Anden-Staates Chile und liegt in der Región de Aysén (Region XI). Coyhaique hat rund 43.000 Einwohner (2005) und ist die Hauptstadt der Region. Sie liegt rund 1650 km südlich von Santiago.
Die Stadt liegt am Zusammenfluss von Río Simpson und Río Coyhaique an einem waldreichen Tal. Die Fernstraße Carretera Austral führt durch die Stadt.
Das Klima ist geprägt von polaren Wintern, maritimen Wetter von der nahen Küste und kontinentalem Klima von der Anden-Seite.
Ein nettes, kleines Hotel erwartet uns. Saubere Zimmer, schön warm und eine erste Dusche. Abends geniessen wir unseren ersten Pisco Sour und staunen über die riesigen Portionen, die serviert werden.

21.11.2011, 3. Tag Coyhaique – Terra Luna Lodge
Wir machen einen kleinen Umweg und fahren zum Flughafen von Balmaceda zurück, um Martin abzuholen, der uns nachgereist ist, bevor wir die staubige Piste zur Terra Luna Lodge unter die Räder nehmen. Unterwegs fahren wir entlang einem Tal, dessen Anblick uns an alte Fotos der Schlachtfelder des ersten Weltkriegs erinnert. Auf viele Kilometer sind alle Bäume abgestorben und die Überreste der Stämme ragen wie bleiche Leichenfinger in den Himmel. Emanuelle, der Mitarbeiter von Azimut erklärt uns, dass dies von einem Vulkanausbruch im nahen Argentinien im Jahre 1991 herrühre, der mehr als 30 cm Asche in diesem Tal abgelagert hat. Mittlerweile wachsen aber die ersten niedrigen Büsche, die von den Kühen angeknabbert werden.
Nach einer zum Teil abenteuerlichen Fahrt mit ein paar Slide Einlagen kommen wir gegen 20:30 Uhr in der Lodge Terra Luna an. Philippe, der Patron, ist ursprünglich Franzose und lebt seit 30 Jahre in Chile. Übrigens sollte man den quirligen und kurz gewachsenen Philippe nicht unterschätzen, stand er doch 2001 auf dem Mount Everest und auch seine Einlagen als Jet Boot Kapitän sind bemerkenswert.
Wir beziehen ein gemütliches Cabaña, bzw. Barbara kommt in den Genuss einer eigenen Cabaña mit eigenem Jacuzzi und Sicht auf den Lago General Carrera. Nach dem Abendessen folgt ein erstes Briefing.

22.11.2011, 4. Tag Terra Luna Lodge
Es gilt langsam ernst. Ein weiteres Briefing ist angesagt und die Zeltgemeinschaften werden gebildet. Die Verpflegung wird verteilt und in Plastiksäcke abgepackt.
Die Anspannung steigt beim Packen der Rucksäcke. Fast alle haben wir das gleiche Problem. Was soll / muss ich mitnehmen, was kann ich in der Lodge lassen? Wie schwer ist das? Habe ich genügend Platz im Rucksack?
Am Abend kommen zwei Französische Bergführer zur Lodge zurück, die wegen Schneefall und heftigen Stürmen vor dem San Valentin umkehren mussten. Wie wird es wohl uns ergehen?

23.11.2011, 5. Tag Terra Luna Lodge – Punta Camello
Der Tag beginnt ohne Regen. Obwohl wir schon um 06:00 aufgestanden sind, dauert es fast bis 09:00 bis alles bereit und auf die beiden Autos aufgeladen ist und wir los fahren. Nach einer zweistündigen Fahrt laden wir unser Gepäck aus, das mit Pferden bis zum See transportiert wird und machen uns ohne zusätzliche Last zu Fuss auf. Auf den folgenden 2 ½ Stunden bekommen wir einen ersten Vorgeschmack auf das Patagonische Wetter. Starke Windböen lösen sich mit windstillen Phasen ab und regnen tut es auch in unregelmässigen Abständen. Ocho, unser Helfer und Jose, unser einheimischer Guide, sind uns vorausgegangen und haben das Boot bereit gemacht, das uns über den Lago Leon zuerst in „Philippis Partisanencamp“ bringt. Es handelt sich dabei um einen Zeltunterstand der unter Tarnnetzen versteckt ist, da hier diverses Material und Ausrüstung, sowie z.B. ein Reserve Aussenbordmotor lagert. Wir geniessen unsere erste Trekkingmahlzeit vom Typ Trek’n Eat und werden später wehmütig an die Auswahl denken, die wir hier hatten.
Die Überfahrt im kleinen Boot bis zum eigentlichen Ausgangspunkt unserer Expedition ist glücklicherweise wesentlich ruhiger und weniger nass als befürchtet. Trotzdem kommen die „Landi Gummihandschuhe“ von der Ausrüstungsliste zu ihrem ersten Einsatz. Bevor wir allerdings zum ersten Mal unsere Zelte aufstellen, heisst es Gepäck und Ausrüstung einen steilen Abhang empor zu tragen. Beim Lagerplatz hat es sogar einen primitiven Unterstand, wo wir kochen und im Stehen essen konnten.

24.11.2011, 6. Tag Punta Camello – Paso Camp und zurück.
Die erste Nacht im Zelt und Schlafsack. Mein Sack ist für diese Höhe zu warm und ich schlafe dementsprechend schlecht. Bernhard, mein Zeltkamerad hingegen hat kalt während der Nacht und auch in den folgenden Tagen werden wir uns bezüglich der Temperaturen nicht einigen können, ob es nun kalt – warm – oder angenehm war. Jedenfalls habe ich viel Zeit dem Regen zuzuhören, der auf das Zelt trommelt. Zwischendurch hören wir auch das Donnern des Gletschers, wenn wieder ein Stück Eis abbricht.
Trotz dem Regen müssen wir aufstehen und das Gruppenmaterial, dh. Schlitten, Schneeschuhe, Kocher und Proviant zum Depot am Paso Camp hochtragen. Was für eine Schinderei! Der Weg ist steil, rutschig, nass und schlammig. 4 Stunden laufen wir zuerst im Regen und mit zunehmender Höhe im Schnee. Wir haben entweder die Gamaschen angezogen oder die Hosenstösse mit Klebeband zu getapeted, damit möglichst wenig Nässe in die Schuhe dringen kann. Dani‘s Weisung, den Weg bis zum Paso Camp in den Trekkingschuhen zurückzulegen und die Bergschuhe für Schnee und Gletscher zu sparen, entpuppt sich als weiser Entschluss. Denn kaum einer kommt ohne einen Schuh voller Wasser an diesem Tag zurück. Den Abstieg schaffen wir übrigens in der Hälfte der Zeit. Wir lassen uns vom Wetter nicht entmutigen und die Stimmung gut.

25.11.2011, 7. Tag Punta Camello – Paso Camp, 1100 m
Obwohl es fast die ganze Nacht geregnet und geschneit hat, haben wir es tatsächlich geschafft, die Zelte während einer kurzen Trockenperiode zusammen zu legen. Um 09:00 Uhr geht es denselben Weg wie am Vortag hoch zum Paso Camp. Die Verhältnisse sind nicht besser geworden und so quälen wir uns mit den schweren Rucksäcken erneut durch tiefen Morast und rutschige Steilhänge hoch zum Paso Camp, wo wir von den nassen Trekkingschuhen auf die trockenen Bergschuhe wechseln.
Tja und dann heisst es zum ersten Mal die Pulkas (Schlitten) ziehen. Jedes dreier Team hat eine Pulka. Die Pulkas sind schwer und kippen leicht im steilen und unebenen Gelände. Während den folgenden Tagen werden wir mehrmals unsere Technik verbessern, bis wir mit den schweren Geräten in fast jeder Situation klar kommen.
Damit es nicht zu einfach wird, bläst ein starker Wind, der in unseren grossen Rucksäcken, die wir auf dem Rücken tragen, eine grosse Angriffsfläche findet und uns immer wieder zu Boden zwingt. Es dauert vom Depot bis zum Lagerplatz Paso Camp mehr als zwei Stunden, in der wir gegen Wind und Schwerkraft kämpfen.
Der Wind ist so stark, dass 4 Personen beim Zeltaufbau helfen und achtgeben müssen, dass nichts fortgeweht wird. Zusätzlich müssen wir auch eine Schneemauer bauen, um vor dem gröbsten Wind Schutz zu finden. Eine mühsame Arbeit, die uns von nun an jeden Tag blühen wird.
Wir sind froh, endlich in die Zelte zu kriechen und weg vom Wind zu kommen. Eine Rucksackhülle pro Zelt wird mit Schnee gefüllt und vor dem Zelteingang platziert und dann heisst es Schnee schmelzen. Auch das ist ein Unterfangen von ca. einer Stunde.

26.11.2011, 8. Tag Paso Camp – Campo Italiano und zurück
Heute Morgen regnet es nicht, so dass wir uns im Trockenen vorbereiten können um einen ersten Teil der Ausrüstung bis zum Campo Italiano, das auf ca. 1500m liegt, hoch zu bringen.
Das hört sich nicht nach viel an, doch liegt die Schnee- und Vegetationsgrenze bei 900m. Wir brauchen ca. 5 ½ Std. bis zum Camp und 2 Stunden zurück. Da es mehrmals bergauf- und bergab geht, kommen so locker 1000 Höhenmeter zusammen. In den ganz steilen Passagen ziehen wir die Pulka am Seil hoch. Das bedeutet 50m hochsteigen, Verankerung erstellen, Pulka hochziehen um wieder von vorne zu beginnen. Noch mühsamer ist die Traversierung von steilen Hängen. Hierzu ziehen zwei Leute die Pulka, während die dritte Person hinter oder seitlich versetzt geht, um ein Kippen zu verhindern. Es ist relativ warm, was sich auf die Schneequalität auswirkt.
Das Campo Italiano schmiegt sich an ein paar grosse Felsen an, vor denen sich hohe Schneewechten aufgetürmt haben. Vom Camp geht es nochmals steil bergauf, bis der nächste Pass kommt. Und Morgen müssen wir zwei Pulkas dort hochbringen!
Wir schauen Dani ein paar Tricks ab. z.B. füllen wir die Thermosflasche mit Schnee, wenn wir daraus trinken, damit wir mehr Wasser haben.
Während dem Abstieg zum Paso Camp hat es wieder angefangen zu regnen, so dass wir uns blitzschnell ins Zelt verziehen, als wir im Lager ankommen. Übrigens hat es viele gute Gründe, mit möglichst wenig Material unterwegs zu sein. Einer davon ist die permanente Suche nach Gegenständen, für die man im engen Zelt einige Zeit aufwendet.

27.11.2011, 9. Tag Paso Camp – Campo Italiano
In der Nacht hatten wir einen hässlichen Schneeregen. Erneut haben wir Glück beim Zusammenpacken und erwischen einen trockenen und windstillen Moment. Trotzdem müssen wir auf der Hut sein vor plötzlichen Windböen. Nicht auszudenken, ein Zelt oder einen Schlafsack zu verlieren! Der grösste Teil der Ausrüstung ist feucht von der Nacht im Zelt, bzw. konnte gar nicht erst trocknen vom Vortag. Meine blauen Landi Gummihandschuhe leisten mir gute Dienste. Sie sind zwar nicht warm, schützen aber perfekt vor Nässe und Schnee und ermöglichen das Arbeiten damit.
Um 09:45 sind wir Abmarsch bereit. Zuerst ein Anstieg von ca. 100m, danach folgt ein kurzes, flaches Stück, bevor es zum Gletscher runtergeht, den wir angeseilt überqueren.
Am Fusse des nächsten Hangs werden die Pulkas teilentladen und das zusätzliche Material auf die Rucksäcke geschnallt. Je höher wir steigen, umso mehr verschlechtert sich das Wetter. Schnee und starker Wind sind unsere Begleiter. Auf einem exponierten Grat erwischen Jose, Bernhard und mich starke Böen, die Eisregen mit sich tragen. Wir müssen uns niederknien, um dem Wind zu trotzen. Zudem vereist meine Sonnenbrille und ich muss sie schleunigst gegen die Sturmbrille wechseln.
Das Lager bauen wir heute wieder bei starkem Wind und Schneeregen auf. Alles ist nass. Die Zelte flattern im Wind und werden von den Böen immer wieder stark zusammengedrückt, während wir im Zelt liegen. Dani und Jose gehen nochmals zurück, um die zweite Pulka zu holen. Keiner von uns beneidet die beiden.

28.11.2011, 10. Tag Campo Italiano
Die Nacht war stürmisch und alles im Zelt ist ziemlich feucht. Der Wind hat während der Nacht viel Schnee ins Vorzelt geweht. Bei den heftigen Sturmböen, Schneeregen und der schlechten Sicht können wir heute nicht weiter. Nebst essen ist heute lesen und Musik hören angesagt.
Dani macht einen Super Job und hat mit Ausnahme des Wetters alles im Griff. Er schaufelt Schnee, macht Erkundungsgänge, besucht jedes Zelt, plaudert mit jedem und verteilt sogar Schokolade.
Wenn wir morgen nicht über den Pass kommen, wird die Expedition höchstens bis zum Fusse des San Valentins kommen. Das wäre zwar schade, tatsächlich aber ist der Weg das Ziel, auch wenn wir uns manchmal fragen, wieso wir uns das eigentlich antun.

29.11.2011, 11. Tag Campo Italiano – Raton (Mäuse) Camp
In der Nacht stürmte es wieder stark. Um 04:00 ist nicht zu erwarten, dass wir heute weiter gehen werden. Dani sagt, dass um 06:30 noch alles zu war und sich um 07:30 plötzlich strahlend blauer Himmel zeigte. So ruft Dani blitzartig Tagwacht aus und alles wird schnell zusammengepackt. Schnell bedeutet, dass es trotzdem fast zwei Stunden dauert, bis wir die Zelte ausgegraben und gepackt haben, bevor wir losmarschieren.
Der Aufstieg mit den Rucksäcken und den Pulkas ist eine Tortur! Weil es so steil ist, müssen wir vom Start weg die Steigeisen anziehen. Sogar wenn der Schnee fest und gefroren ist, ist das Ziehen der Pulkas in den Steigungen sehr anstrengend. An Stellen mit Neuschnee wird es aber zur Hölle. Wenigstens haben wir heute einen blauen Himmel und sehr gute Sichtverhältnisse.
Nach ca. 8 Stunden Marschzeit sind wir erschöpft beim Campo Raton gelangt. Das Camp ist direkt unter einem weiteren Pass gelegen, vom dem wir ein wunderbares Panorama geniessen dürfen.

30.11.2011, 12. Tag Raton Camp – Terrassen Camp, 2350m
Eine weitere stürmische Nacht liegt hinter uns. Glücklicherweise beruhigt sich das Wetter gegen den Morgen, so dass wir im Trockenen zusammen packen können. Was aber nicht heisst, dass im Zeltinnern alles ziemlich feucht ist.
Das Wetter meint es gut – die stechende Sonne sogar zu gut mit uns aber die endlosen Steigungen sind kräftezehrend. Je nach Steigung müssen wir alle 50m kurz pausieren, bevor wir das Plateau erreichen. Phantastisch; wir sehen nicht nur den San Valentin, sondern haben Aussicht bis zum Meer!
Vom Plateau geht es aber nochmals 200m runter, danach schliesst sich ein sanfter Anstieg an, der gemeinerweise immer steiler wird. Ich glaube, wir alle sind heute glücklich, als wir unseren Lagerplatz erreicht haben.
„9 x 5 m“, das ist die magische Zahl, der Grundriss unseres Lagers für drei Zelte, den wir freischaufeln dürfen. Die Konsistenz des Schnees ist so gut, dass wir mit den Sägen auch Schneeblöcke schneiden können um eine Schutzmauer gegen den Schnee bauen zu können.
Bei dem tollen Wetter müssen wir nicht die ganze Zeit im Zelt verbringen und ein dünner Pullover reicht bei der Temperatur, um die Sonne und die Aussicht zu geniessen. Die Stimmung ist sehr gut und wir können sogar die Ausrüstung trocknen. Martin spendiert einen Schluck Whisky, den wir mit einem Stück Eis aus unseren Tassen geniessen. Morgen geht es zum letzten Lager am Fuss des Berges. Es wäre schöne, wenn das Wetter hält.

1.12.2011, 13 Tag am Fusse des San Valentin, 3010m
Nach Sumpf, Morast, Regen, Schnee und Sturm lernen wir heute die Gletschersonne kennen, bzw. fürchten. Stunde um Stunde ziehen wir die Pulkas bei glühendem Sonnenschein den Berg empor. Der Schnee ist schwer und die Pulkas scheinen Tonnen zu wiegen. Die Wasserflaschen sind beinahe leer und wir fangen an, unter Durst zu leiden. Dani „hetzt“ uns absichtlich so weit wie möglich, um für den morgigen Gipfelsturm schon möglichst viel Höhe gutgemacht zu haben.
Der Aufbau des Lagers zieht sich fast drei Stunden in die Länge, bis wir eine genügend grosse Fläche freigeschaufelt und eine Schneemauer errichtet haben. Es ist so heiss, dass ich, nur mit Unterwäsche, Hut und Bergschuhen bekleidet, Schnee schaufle und Eisblöcke säge.

2.12.2011, 14. Tag San Valentin, 4058m
Eigentlich war das Wecken für 03:30 Uhr und der Abmarsch für 04:30 Uhr angesagt. Doch windet es während der Nacht so stark, dass Dani beschliesst, erst um 06:15 Uhr aufzubrechen. Da es eine relativ trockene Nacht war, müssen wir heute nicht in die klammen Kleider schlüpfen und zur Feier des Tages wird eine neue Garnitur Unterwäsche und Socken angezogen.
Schon vom Lager weg, werden die Steigeisen angezogen. Dani, Barbara und Martin sind wie gewohnt die schnellere Seilschaft und haben bald einen grossen Vorsprung vor Jose, Bernhard und mir. Der erste Teil des Aufstiegs ist ziemlich steil an überhängenden Schneewechten entlang, danach folgt eine kurze Stelle mit einfacher Felskletterei. Weiter oben spannt Dani in einigen kritischen Passagen Fixseile für uns. Es ist faszinierend ihm zuzusehen, mit welcher Einfachheit und Eleganz er sich auf den steilen Eis- und Firnfelder bewegt. Auf dem ganzen Aufstieg und dem Rückweg ziehen immer wieder Wolken und Nebel auf, so dass wir zeitweise in einer dicken, weissen Watte stecken und eine sehr eingeschränkte Sichtweite haben.
Nach dem ersten steilen Anstieg führt uns ein einfach zu begehender Weg die nächsten paar Stunden immer höher. Nur zum Schluss traversieren wir einen steilen Hang und profitieren, dass Dani, Barbara und Martin uns eine gute Spur durch den Neuschnee gelegt haben.
Und dann stehen wir alle auf dem Gipfel des San Valentins! Dani, Jose, Barbara, Martin, Bernhard und ich. Ein schöner Moment und Krönung für die Strapazen der letzten Tage. Jose setzt mit dem Funkgerät eine Meldung an Philippe in der Terra Luna Lodge ab.
Ich freue mich, doch würde ich es nicht einen erhabenen Moment nennen. Es konzentriert sich nicht auf den kurzen Moment, während dem wir auf dem Gipfel stehen. Vielmehr ist es die Gesamtheit vom allem, was wir seit Beginn der Expedition erlebt, gesehen, gefühlt und gelitten haben. Klar sind wir schon stolz bei dem Gedanken, dass wir zu den wenigen Menschen gehören, die diese phantastische Landschaft sehen dürfen und dass weniger Menschen auf dem San Valentin standen als auf dem Mount Everest!
Um 15:00 Uhr sind wir alle glücklich zurück im Lager und in ausgelassener Stimmung. Martin spendiert nochmals eine Runde Whisky und Barbara spendiert eine Büchse Wasabi Nüsse.

3.12.2011, 15. Tag Raton Camp
Der San Valentin hat sich heute einen weissen Schleier umgelegt und verhüllt sein Antlitz. Es windet und schneit leicht. Eine Besteigung wäre heute mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht möglich. Knapp nach 08:00 Uhr brechen wir auf und haben Dani‘s Vorgabe / Zeitplan fast erfüllt.
Alles ist in Weiss getaucht – White Out. Ohne einen Kontrast beträgt die Sichtweite wenige Meter. Mir kommt eine Stelle des Gedichts von Hermann Hesse „Im Nebel“ in den Sinn.
Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den andern,
Jeder ist allein
Heute geht es hauptsächlich bergab und wieder haben wir die optimale Technik zu finden, wie wir die Pulka zu ziehen, bzw. zu bremsen haben. Auf dem Rückweg ziehen wir am Terrassen Camp vorbei, ohne es im White Out zu sehen. Dani beweist souverän sein bergführerisches Können. Er hat den Hinweg hervorragend memorisiert und teilweise können wir auch unseren Spuren vom Aufstieg folgen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser und ein Blick auf’s GPS bestätigt unseren Weg.
Doch auch heute haben wir ein paar Anstiege zu meistern. Wir sind froh um 13:30 Urh beim Camp Raton, bzw. bei dem, was noch nicht von der Sonne weggeschmolzen wurde, anzukommen. So müssen wir nicht allzu lange Schneemauern auftürmen. Theoretisch könnten wir noch weiter bis zum Campo Italiano. Das würde mindestens noch zwei Stunden Marsch bedeuten und es ist damit zu rechnen, dass wir dort nochmals zwei Stunden Schnee schaufeln müssen. So bleiben wir lieber im Camp Raton.
Mittlerweile brennt die Sonne wieder unbarmherzig auf uns nieder und im Zelt ist es sehr heiss. Es ist trotz ganz leichtem Regen, der auf der Haut brennt, angenehmer, draussen zu sitzen. Ich habe heute sogar die ersten Insekten, einen Falter und zwei Fliegen entdeckt. Hoffentlich nicht wegen dem Geruch den wir verströmen!

4.12.2011, 15. Tag Raton Camp - Lager an der Schneegrenze
Wecken um 06:00 Uhr; draussen erneut das Weisse Nichts. Wie gewohnt geht es um 08:30 Uhr weiter. Es wird ein langer und sehr harter Tag! Zu unserem grossen Frust müssen wir feststellen, dass auch unser Rückweg von vielen kräftezehrenden Steigungen gesäumt ist. Es wird ein stundenlanger Marsch ohne grosse Sicht. In unzähligen, kleinen Schritten ziehen wir die Pulkas durch den nassen und schweren Schnee. Nach dem Paso Camp klart das Wetter auf. In einer spektakulären Abfahrt bringen Dani und Martin die Pulkas zum letzten Gletscher runter. Die Sonne grinst heiss auf uns herab, als wir zum letzten Mal den Gletscher überqueren. Auf dem letzten Aufstieg, obwohl definitiv nicht der längste, leiden wir ein letztes Mal an diesem Tag. Zusätzlich zur Steilheit müssen immer wieder Fels- und Steinfelder mit der Pulka und den Schneeschuhen überquert werden.
Nach 9 Stunden Quälerei haben wir die Schneegrenze erreicht. In den letzten 10 Tagen hat der Frühling Einzug gehalten. Wir finden schneefreie Plätze für unser Zelte und geniessen es, barfuss im Moos zu laufen. Und vor allem finden wir fliessendes Wasser, so dass das Schneeschmelzen heute entfällt!
Abends sitzen wir vor den Zelten, zwischen den Felsen zusammen; Essen, Trinken und Lauschen den letzten Nachrichten von Dani. Über Funk hat er Kontakt mit der Terra Luna Lodge und Philippe mitgeteilt, dass wir zwei Tage früher als erwartet zurück sind.

5.12.2011, 16. Tag Lager an der Schneegrenze – Terra Luna Lodge
Heute Morgen laden wir alles von den Pulkas auf unsere Rucksäcke um, inkl. der Pulkas selbst, die wir auf aufschnallen. Im Gegensatz zum Aufstieg, ist heute der der Pfad nicht schneebedeckt aber auch nicht einfacher zu begehen. Wir sind froh um die schweren Bergschuhe, die uns in diesem schweren Terrain Halt geben.
Am Punta Camello erwarteten und 6 Büchsen Bier, die Dani dort deponiert hatte. Barbara zauberte mit den restlichen Crackers, Streichwurst und Le Parfait einen wohlschmeckenden Apéro. Den ersten Schluck Bier lassen wir genüsslich im Mund kreisen, als ob es ein edler Wein wäre.
Als das Boot anlegt, müssen wir die berüchtigten letzten 50m mit dem schweren Gepäck bis zum Ufer absteigen. Heute werden wir von Philippe selbst pilotiert. Bernhard hat die gute Idee, Philippe um einen kleinen Umweg zu bitten und uns bis zum Gletscherabbruch zu fahren. 20m hohe Eiswände ragen aus dem Wasser und wir halten einen respektvollen Abstand, um nicht von plötzlich einstürzenden Eistürmen überrascht zu werden.
Bei Philipps Partisanenlager lassen wir die Zelte, Kocher und Pulkas zurück. Danach folgt ein Marsch über einen verschlungenen Pfad bis zum Versteck des Jet Boots. Jeweils zu Dritt setzen wir uns in das kleine Boot. Was nun folgt ist eine wirklich atemberaubende Wildwasserfahrt. Die Strömungsverhältnisse sind spektakulär bis furchteinflössend und Philipp pilotiert das Boot so ziemlich am Limit.
Wegen Niedrigwasser fahren nur Philippe mit Barbara und Bernhard mit dem Gepäck das letzte Stück weiter auf dem Fluss. Dani, Jose, Martin und ich (das Pulka Pulling Machine Team) nehmen die letzten paar Kilometer unter die Füsse, bevor wir auf die Strasse treffen, wo ein uns ein Jeep aufgabelt.
Schmutzig und vermutlich auch übel riechend setzen wir uns auf die Terrasse der Terra Luna Lodge um unser erstes Bier zu geniessen. Es wird an diesem Abend noch einiges an Bier und Wein konsumiert, bevor wir schlussendlich in einem richtigen Bett schlafen können.

6.12.2011, 17. Tag Terra Luna Lodge
Heute ist Relaxen und Trocknen der Ausrüstung angesagt! Die Sonne scheint und nur wenige Wolken ziehen am Himmel ihre Bahn. Wir nutzen die Zeit um ein paar Einkäufe im Dorf zu machen und um zu telefonieren, bzw. Emails zu schreiben. In den Mercados wird Weihnachtsmusik gespielt und Barbara hat die Idee, eine kleine Samichlaus-Ueberraschung zuzubereiten (1 x Bier, 1 x Lollipop, 1 x Lebkuchengebäck pro Person und einen Panetone-Kuchen). Doch zuvor geht es noch ins reserviert und vorgeheizte Jacuzzi und in die Sauna, die direkt am Seeufer liegen. Welch wohlige Wärme durchströmt uns! Wie herrlich schmeckt uns das Bier, während wir in warmen Wasser des Jacuzzi sitzen!

7.12.2011, 18. Tag Terra Luna Lodge
Erneut ein strahlend blauer und wolkenloser Tag. Gegen 11:00 führt uns Ocho zum Angeln an einen Fluss in den Hügeln. Lästig sind die riesigen Bremsen die sich auf uns stürzen und uns veranlassen, trotz der heissen Sonne, einen Pullover oder eine Jacke anzuziehen.
Abends beim Packen ist es auffällig still. Jeder packt in Ruhe und ohne Hast seine Siebensachen zusammen. Wo wohl unsere Gedanken sind?

8.12.2011, 19. Tag Terra Luna Lodge – Coyhaique
Heute heisst es Abschied nehmen von Terra Luna. Da es im Jeep zu wenig Platz hat, muss Dani mit dem Bus, eine Stunde vor uns losfahren. Wir können gemütlich frühstücken und fahren um 11:00 Uhr mit Jose als Fahrer los.
Es ist eine lange, staubige und heisse Fahrt. Die Klimaanlage ist auf Umluft gestellt, weil sonst der Staub direkt in den Fahrgastraum geblasen wird. Unterwegs überholen wir einen Konvoy von ca. 15 Wohnmobilen einer Gruppe aus Deutschland, Schweiz, Österreich und Holland.
Die Fahrt geht entlang von vielen Seen, die malerisch vor schneebedeckten Bergen liegen. Nur langsam werden die Berge kleiner und spärlicher. Je näher wir Coyhaique kommen, umso trockener wird die Landschaft.
Den Abend beschliessen wir mit einem ausgiebigen Festmahl. Beginnend mit zwei Pisco Sour gehen wir zu einer richtigen Fleisch-Orgie über und können auch den leckeren Kuchen nicht wiederstehen. Natürlich dürfen diverse Biere nicht fehlen.

9.12.2011, 20. Tag Coyhaique – Balmacera – Santiago
Zurück in die Zivilisation. Ein ruhiger Flug bringt uns von Balmacera zurück in das Menschengetümmel von Santiago. Wir beziehen unser zentral gelegenes Hotel und erkunden die unzähligen Shopping Centers in der nahen Umgebung, auf der Suche nach Souvenirs für unsere Familien. Zum Abendessen können wir im Vergnügungsviertel Plätze in einem tollen Restaurant reservieren und um Mitternacht trinken wir in einem der unzähligen Strassenrestaurants ein letztes Bier.

10.12.2011, 21. Tag Santiago – Madrid
Hasta la vista America del Sur! Ein zwölfstündiger Flug bringt uns von Santiago nach Madrid, wo sich unsere Wege trennen. Fast zeitgleich fliegt Bernhard nach Berlin, Martin nach München, Barbara, Dani und ich nach Zürich.
Wir sind zurück!

Ort: Chile / Patagonien
Level: Technisch einfach - Physisch sehr anspruchsvoll

Bewertung


Tourdatum: 19.12.2011